MÜNSTER! DEIN STADTENSEMBLE

Ensemble. Klingt gut, ist französisch und meint: zusammen. Als Kulturschaffende erweitern wir das Zusammensein. Wir alle sind: das Stadtensemble Münster!

Miteinander

Das kommunale Theater und die frei schaffende Kulturszene unserer Stadt vernetzen sich. Warum? Wir wollen die Kultur breiter aufstellen, stärken und erhalten.

Mitmenschen

Kultur soll mehr Menschen erreichen und begeistern. Menschen, die bisher wenig Kontakt zur Kultur haben. Und Menschen, die Kultur regelmäßig erleben – zum Beispiel ins Theater, Ballett oder Museum gehen.

Mittel und Wege

Wir finden neue Wege. So heißt auch das Förderprogramm des Kultursekretariats NRW. Dieses Geld sowie weitere finanzielle Förderungen unterstützen das Stadtensemble Münster.

Mitreißend

Das Stadtensemble Münster bringt seine Inhalte in alle möglichen und unmöglichen Orte des Lebens von Münster. Selbst bezeichnen wir uns als fluide – als eine fließende Organisation, ohne starre Struktur. Rund 300 Personen bilden das Stadtensemble Münster. Abgestimmt auf die Idee, kommen Kreative zusammen, arbeiten ein Format aus und bringen es zu den Menschen.

24 Stunden Münster: Der Auftakt für das Stadtensemble

Im Herbst 2018 erlebte das Publikum in Münster etwas vollkommen Neues. Auf sämtlichen Bühnen der Stadt spielten wir über 24 Stunden Theater. Das Publikum erlebte Schauspiel nonstop. Kultur flutete die Stadt. Die Schauspielerinnen Carola v. Seckendorff und Cornelia Kupferschmid gaben den Impuls für dieses Projekt. Sie nahmen den Erfolg auf und trugen ihn weiter. Es folgten diese Projekte:

  • ich hörte sagen – lyrische Stadtintervention, 2019
  • Stadtbestäubung, 2020 (virtuell aufgrund von Corona)
  • Systemrelevanziergang, Winter 2020/2021
  • Bei Anruf: Wort!, Winter 2020/2021
  • Insel des Pathos, 2021
  • p/ART/ed, 2021
  • Walk´n Act, 2021
  • Festival der Demokratie, 2021
  • Systemrelevanziergang, Winter 2021/2022
  • Bei Anruf: Wort!, Winter 2021/2022
  • Demokratie@Home, geplant für 2022

Mit Überzeugung

Ein Manifest leitet unser Handeln.

WIR lauschen an der Stadt
WIR machen Gegebenheiten zu Gelegenheiten
WIR eröffnen Spiel- UND Stadträume
WIR brauchen keine (4.) Wand
WIR verschmelzen Kunst UND Bildung
WIR lieben den analogen Kontakt
WIR verbinden Künstler*innen
WIR sorgen für uns UND die, mit denen wir arbeiten
WIR stehen für gegenseitige Inspiration statt Konkurrenz
WIR brennen für Kollaboration statt Hierarchie
WIR bleiben im Dialog
WIR sind transparent
WIR sind alle verschieden UND dürfen es sein
WIR halten zusammen, gerade jetzt
WIR schaffen nachhaltige Synergien
WIR überwinden Grenzen UND Vorurteile
WIR stellen uns in Frage
WIR bleiben im Fluss
WIR wachsen über uns hinaus
WIR finden den Zwischen(T)raum
WIR sind keine Insel UND sitzen nicht im Elfenbeinturm
WIR laden DICH ein

Wir wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung, insbesondere aufgrund von Geschlecht, sexueller Identität, Staatsangehörigkeit und Herkunft, Hautfarbe, Religion, Sprache und Kommunikationsform, Behinderung und chronischer Erkrankung.

Wir haben die Erklärung der Vielen unterzeichnet.

Als Kulturschaffende in Deutschland stehen wir nicht über den Dingen, sondern auf einem Boden, von dem aus die größten Staatsverbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden. In diesem Landwurde schon einmal Kunst als entartet diffamiert und Kultur flächendeckend zu Propagandazwecken missbraucht. Millionen Menschen wurden ermordet oder gingen ins Exil, unter ihnen auch viele Kunstschaffende.

Heute begreifen wir die Kunst- und Kultureinrichtungen als offene Räume, die Vielen gehören. Unsere Gesellschaft ist eine plurale Versammlung. Viele unterschiedliche Interessen treffen aufeinander und finden sich so im Dazwischen. Demokratie muss täglich neu verhandelt werden – aber immer unter einer Voraussetzung: Es geht um Alle, um jede*n Einzelne*n als Wesen der vielen Möglichkeiten!

Der rechte Populismus, der die Kultureinrichtungen als Akteur*innen dieser gesellschaftlichen Vision angreift, steht der Kunst der Vielen feindselig gegenüber. Rechte Gruppierungen und Parteien stören Veranstaltungen, wollen in Spielpläne eingreifen, polemisieren gegen die Freiheit der Kunst und arbeiten an einer Renationalisierung der Kultur.

Ihr verächtlicher Umgang mit Menschen auf der Flucht, mit engagierten Kulturschaffenden, mit allen Andersdenkenden verrät, wie sie mit der Gesellschaft umzugehen gedenken, sobald sich die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten verändern würden.

Mit der NRW-Erklärung von DIE VIELEN haben WIR (über 300 Verbände, Stiftungen, öffentliche Einrichtungen, freie Kulturorte, Künstler*innen und Gruppen) 2018 den Zusammenhalt in Kunst und Kultur als Teil der Zivilgesellschaft gegen rechtspopulistische sowie völkisch-nationale Strömungen deutlich artikuliert. Die Kunst- und Kulturakteur*innen NRWs setzen mit der Erklärung ein gesellschaftspolitisches Signal, das in die eigene tägliche Praxis eingreifen soll. Gemeinsam zeigen wir, NRW- und bundesweit, Haltung für Vielfalt und Respekt. Diese Arbeit ist niemals abgeschlossen.

Wir als Unterzeichnende begegnen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus mit einer klaren Haltung:

  • Wir führen einen offenen, aufklärenden, kritischen Dialog über rechte Strategien. Wir gestalten den Dialog mit Mitwirkenden und dem Publikum in der Überzeugung, dass wir den Auftrag haben, unsere Gesellschaft als eine demokratische fortzuentwickeln.
  • Alle Unterzeichnenden bieten kein Podium für völkisch-nationalistische Propaganda.
  • Wir wehren die illegitimen Versuche der Rechtsnationalen ab, Kulturveranstaltungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
  • Wir verbinden uns solidarisch mit Menschen, die durch eine rechtsextreme Politik immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
  • Wir setzen uns mit den eigenen Strukturen auseinander und stellen diese zur Verhandlung.
  • Rassismus ist Alltag. Rechtsextremismus ist ein Symptom davon. Dieses Bündnis will nicht nur Symptome bekämpfen, sondern in die Tiefe wirken. Wir setzen uns deswegen mit den eigenen Strukturen auseinander und stellen diese zur Verhandlung. Wir müssen die Kunst- und Kulturräume sowie unsere Gesellschaft öffnen, damit wir wirklich Viele werden!

Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!

  1. Kern von DIE VIELEN NRW sind die Unterzeichnenden der Selbstverpflichtung. Unterzeichnenden sind Kultureinrichtungen, Kunstinstitutionen, ihre Interessensvertretungen oder Verbände sowie freie Akteur*innen aus Kunst und Kultur in NRW. Weitere Unterzeichnende sind jederzeit willkommen und ausdrücklich erwünscht.
  2. Mit ihrer Unterschrift erklären sich die Unterzeichnenden bereit, den Text der Erklärung innerhalb der eigenen Organisation beziehungsweise des eigenen Arbeitsumfeldes unter beispielsweise Mitarbeiter*innen, Ensemblemitgliedern, Kurator*innen, Publikum und Besucher*innen bekannt zu machen und darüber ins Gespräch zu kommen.
  3. Die Unterzeichnenden werden auf der Homepage www.dievielen.de und den Internetpräsenzen von DIE VIELEN NRW sichtbar gemacht. Eine Verlinkung ist gewünscht.
  4. Die Unterzeichnenden verpflichten sich die Erklärung von DIE VIELEN NRW über ihre Kommunikationskanäle on- und offline (beispielsweise im Programmheft, auf der Internetseite, als Aushang im Foyer) zu veröffentlichen.
  5. Symbole von DIE VIELEN, wie die gold-glitzernde Rettungsdecke, sollen je nach aktuellem Corporate Design der Einrichtung Anwendung im Zusammenhang mit der Erklärung finden – ob als Fahne, Layout-Hintergrund, als Icon oder golden-glänzend hinterlegte Schrift (Tool-Kit wird bereitgestellt).
  6. Die Unterzeichnenden bereiten Informationsveranstaltungen, Gespräche und Aktivitäten im Sinne der Erklärung vor, die Termine werden gemeinsam über www.dievielen.de und den Internetpräsenzen von DIE VIELEN NRW kommuniziert.
  7. Im Rahmen der eigenen Pressearbeit der Unterzeichnenden werden die Erklärungen und Kampagnen von DIE VIELEN und DIE VIELEN NRW veröffentlicht. Aktionen zu den Kampagnen wie Informationsveranstaltungen, Lesungen und vieles mehr werden selbstständig realisiert und gemeinsam koordiniert.
  8. Die Kampagne zur Erklärung von DIE VIELEN hat einen regionalen Charakter und wird über regionale Zusammenschlüsse von Kulturakteur*innen als „Berliner, Hamburger, Dresdner, NRW uvm. Erklärung von DIE VIELEN“ bundesweit verbreitet. Orts- oder Regionalgruppen von DIE VIELEN NRW innerhalb NRWs sind erwünscht. Um die Schlagkraft beizubehalten koordinieren sie sich regelmäßig miteinander.
  9. Die Unterzeichnenden bleiben durch regelmäßige Treffen im Austausch miteinander. Sie verpflichten sich außerdem zu einer kritischen Überprüfung der Ausschlussmechanismen im eigenen Arbeitsumfeld sowie im Zusammenschluss von DIE VIELEN NRW. Dazu schaffen die institutionell organisierten Unterzeichnenden personelle Kapazitäten an ihrer Organisation/Einrichtung, die die Teilnahme und das Engagement einzelner als Stellvertreter*innen für die Unterzeichnenden möglich machen.
  10. Die Unterzeichnenden beteiligen sich aktiv an regionalen und/oder bundesweiten Kampagnen mit Aktionstagen, Dialogforen und Mobilisierung zu Demonstrationen.
  11. Die Unterzeichnenden verpflichten sich zu gegenseitiger Solidarität mit Kultur-, Kunst- und Bildungseinrichtungen und Akteur*innen der Kultur-, Kunst- und Bildungslandschaft, die durch Hetze und Schmähungen unter Druck gesetzt werden. Hierzu übertragen sie den an den offenen, regelmäßigen Treffen aktiv beteiligten Unterzeichnenden (gegebenenfalls in Arbeitsgruppen) das Mandat, im Namen aller Unterzeichnenden der Erklärung von DIE VIELEN NRW und der Selbstverpflichtung im Rahmen der in der Erklärung formulierten Zielsetzungen zu sprechen, indem sie Veröffentlichungen und Stellungsnahmen verbreiten – inklusive der Liste aller Unterzeichnenden.

Die gesamte Erklärung und alle Unterzeichnenden finden sich hier.

Mitarbeit

künstlerische leitung

Carola von Seckendorff
Künstlerische Leitung
Telefon 0151 5068 3600
mehr zu Carola …

Cornelia Kupferschmid
Künstlerische Leitung, Geschäftsführung
Telefon 0171 419 478 6
MEHR ZU CORNELIA …

Projektleitung

Paula Marie Berdrow
Projektleitung
MEHR ZU PAULA …

Produktionsleitung

Veronika Kalievskaya
Produktionsleitung
MEHR ZU VERONIKA …

Kulturvermittlerin

Gabriela Exner
MEHR ZU GABRIELA …

Texterin

Susanne Schaller
MEHR ZU SUSANNE …

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Wolfgang Türk
MEHR ZU WOLFGANG …

Ausstattung

Sophia Debus
MEHR ZU SOPHIA …

Social Media

Constanze Wolff
MEHR ZU CONSTANZE …

Moritz Piepel
MEHR ZU MORITZ …

Caroline von Lengerke
MEHR ZU CAROLINE …

Filmdokumentation

Jens Krause
MEHR ZU JENS …

KULTURELLE EINGREIFTRUPPE – Interview mit dem Stadtgeflüster

Arndt Zinkant befragt fünf der vielen Mitwirkenden des „Stadtensembles“, das in wechselnder Besetzung (Theater-)Kultur schafft.

Gruppenbild Interview Stadtgeflüster

© Arndt Zinkant

Schon der erste Streich war vor zwei Jahren ein Riesenerfolg: „24 Stunden Münster“ präsentierte einen kompletten Tag lang Theater nonstop. Nun haben die Schauspielerinnen Carola von Seckendorff und Cornelia Kupferschmid (die das Projekt damals aus der Taufe hoben) ein ebenso spektakuläres „Festival der Demokratie“ auf die Schiene gebracht – das leider wegen Corona aufs kommende Jahr verschoben werden muss. Einige Highlights wird es aber bis dahin schon geben, und fast die gesamte freie Szene der Stadt wird als „Stadtensemble“ dabei sein. Zum Beispiel die Sängerin und Schauspielerin Christiane Hagedorn, der Regisseur Manfred Kerklau und Talkmaster Adam Riese; Letzterer ist dem Interview per Handy zugeschaltet.

Erläutern Sie doch bitte kurz, worum es beim Konzept des Stadtensembles geht.

C. v. Seckendorff: Es wurde geboren aus „24 Stunden Münster“, dem theaterübergreifenden Stadtprojekt, das wir – Cornelia Kuperschmid und ich – im Herbst 2018 initiierten und das damals mit Furor durch alle Theater Münsters zog. Das Stadtensemble ist ein fluides Gebilde aus münsterischen Kulturschaffenden jeder Couleur, die durch die beglückende Erfahrung des kollektiven Arbeitens sich vorgenommen haben, Label- und Institutions-unabhängig in den nächsten Jahren in Projekten und in wechselnden Zusammensetzungen weiterzuarbeiten. Eine mehrjährige Förderung des Kultursekretariats NRW „Neue Wege“ ermöglicht in Zusammenarbeit mit dem Theater Münster und dem Kulturamt eine Infrastruktur. Diese hat zum Ziel, das kommunale Theater und die freie Szene zu vernetzen und gemeinsame, solidarische Visionen für einen Erhalt der Kultur zu schaffen. Denn sie ist systemrelevant.

Schwebt Corona derzeit wie ein Damoklesschwert über dem gesamten Demokratie-Festival, das den ersten großen Aufschlag für das Stadtensemble in Münster bilden sollte? Es wurde ja leider aufs nächste Jahr verschoben.

C. v. Seckendorff: Wir sind das vermutlich im nächsten Jahr noch nicht los und müssen es gegebenenfalls in den Planungen mit berücksichtigen. Nochmal verschieben wollen wir das Festival der Demokratie jedoch auf keinen Fall. Das heißt, dass jeder Mitwirkende unter Umständen sein Projekt Corona-tauglich entwickeln muss. Man hat den Lockdown quasi immer im Nacken.

C. Kupferschmid: Eben. Als wir das Projekt damals beantragten, sind wir von völlig anderen Voraussetzungen ausgegangen. Deshalb musste danach das gesamte Projekt neu gedacht werden. Verschieben konnten und wollten wir aber nicht alles, das heißt, dass manche Stücke bereits in 2020 als Werkstattformat online oder als Hörspiel realisiert werden.
Neu gedacht wurden für den Herbst als ersten Aufschlag des Stadtensembles in Münster (statt des Festivals für Demokratie) zwei „Interventionen im öffentlichen Raum“ (“ Der Mensch ist eine Insel und (Ge)Dicht auf Abstand/Grand Tour), diese wurden neu erfunden und auch die müssen Corona-gerecht gestaltet werden.

Wie funktionieren denn „Gedichte auf Abstand“ und “Der Mensch ist eine Insel”?

C. v. Seckendorff: Es werden im Schlosspark 28 Mitglieder des Stadtensembles auftreten – nämlich mit der Anthologie „Grand Tour“, erschienen im Hamster Verlag, welche junge Lyrik aus 47 Ländern Europas umfasst. Jedes Ensemblemitglied rezitiert Gedichte von Autorinnen und Autoren aus jeweils 2 Ländern. Die Zuhörer flanieren dann durch den Schlosspark und können sich dann immer zu zweit für je zehn Minuten zu einer Rezitation dazusetzen. Premiere wird am 30. August sein, weitere Termine folgen.
Und bei “Der Mensch ist eine Insel“ ist das Stadtensemble mit ausrollbaren Inseln im ganzen Stadtraum unterwegs und bietet alles: von Monologen, Performances bis zu musikalischen Darbietungen. Diese Inseln kann man nicht gezielt ansteuern, so werden Menschen in den Genuss künstlerischer Darbietungen kommen, die damit gar nicht rechnen.

Ist finanziell für die Stadtensemble-Arbeit alles in trockenen Tüchern?

C. v. Seckendorff: Das Festival konnten wir gesichert mitsamt den Geldern nach 2021 verschieben und die „Neue Wege“-Förderung vom Kultursekretariat Wuppertal sichert dem „Stadtensemble“ für drei Jahre Basis-Gelder – mit der Auflage, dass wir jedes Jahr ein Festival machen; sowie außerdem kleinere Projekte wie z.B. die „Stadtbestäubung“ und die beiden Open Air Formate Ende August, mit denen wir den Stadtensemble-Aufschlag machen. Angestrebt ist außerdem „Theater vor Ort“, was bedeutet, dass Stücke der jeweiligen Festivals an verschiedenen, noch zu entdeckenden Orten und weitergespielt werden – im Zentrum oder der Peripherie Münsters – , damit auch weniger Theater-affine Menschen damit in Berührung kommen können.

C. Kupferschmid: Wie bei einer „kulturellen Eingreiftruppe“, die erscheint und wieder verschwindet. (lacht)

Es geht also um neue Synergie-Effekte…

C. v. Seckendorff: Alles, was uns in Münster als Kunstschaffende trennt, wollen wir versuchen aufzulösen innerhalb des Stadtensembles und zu verschiedenen relevanten Themen arbeiten. Dabei müssen wir aber als Leitung frei und weisungsungebunden bleiben. Die meisten Freien in der Szene kommen normalerweise kaum in den Genuss einer Förderung dieser Größenordnung, die wollen wir ins Boot holen. Institutionen wie das Stadttheater sind an den Fördertöpfen meist näher dran, leider.

M. Kerklau: Zwischen den sonst getrennt arbeitenden Institutionen wie Borchert-Theater, Pumpenhaus, Kleiner Bühnenboden etc. entstehen auf diese Weise neue Verbindungen. Man sollte wegkommen von den „starren“ Institutionen und hin zu den Künstlern selbst, die gemeinsam etwas entwickeln wollen. Das schließt auch spartenübergreifende Arbeit ein, etwa mit dem Performance-Künstler Stefan Us oder Studierenden der FH. So entsteht quasi ein „Kunstprodukt der Stadt Münster“ – sehr spannend!

Von wie vielen Beteiligten sprechen wir da insgesamt?

C. v. Seckendorff: Das ist fluide. In meinem Stadtensemble-Verteiler habe ich 100 Leute – allerdings muss man bedenken, dass z.B. die Uni sehr viel mehr vertritt, so dass wir insgesamt auf etwa 300 kommen.

C. Kupferschmid: Man muss noch erwähnen, dass die „Neue Wege“-Fördergelder nur etwa ein Drittel des Budgets abdecken, zur Absicherung der administrativen Basis sozusagen. Der Rest kommt von anderen Förderern, vom Kulturamt, der Stadt Münster, dem Friedensbüro, der Sparkasse Münsterland Ost, dem Land NRW, der Bundeszentrale für politische Bildung, von Aktion Mensch oder dem LWL. Das Geld würde sonst nicht reichen. Den größten Batzen machen die Gagen aus – immer.

Da ergibt sich dann eine Unwucht zwischen den Freien und den Festangestellten, oder?

C. v. Seckendorff: Das stimmt, wenngleich nicht jeder Festangestellte automatisch finanziell besser dasteht. Wir haben uns auch die Köpfe heißdiskutiert, doch das Stadtensemble kann nicht auffangen, was in der gesamten Kulturförderung schief läuft. Am Ende ist nur das Motto gerecht: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“.

Wer fällt die Entscheidung darüber, wer im Stadtensemble mitmachen darf?

C. v. Seckendorff: Die mussten wir zum Glück noch nie fällen (lacht). Stattdessen haben wir quasi das Fass geöffnet – und alle, die mitmachen wollten, waren dabei. Das ist immer aufgegangen. Wir kuratieren also nicht, sondern wollen alle einladen, den ursprünglichen künstlerischen Ur-Impuls wieder zu entdecken und zu befreien. Wir bieten lediglich ein Dach, ein Format, eine Grundidee, ein Thema an.

M. Kerklau: Bei Projektarbeit finden sich die richtigen Leute meist wie von selbst. Und wenn zu viele Leute zusammenkommen ist es ohnehin nicht zu finanzieren. Aber Carola und Cornelia haben schon die Übersicht, wo die Fäden zusammenlaufen. Insgesamt ist es ein sehr breites Spektrum – sowohl ernste wie auch heitere Sachen werden geboten. Und auch die Niederdeutsche Bühne ist mit im Boot.

Haben Sie eigentlich Sorge, dass von ihren Stadtensemble-Mitgliedern einige im Herbst nächsten Jahres finanziell ans Limit gelangt sein werden? Dann wäre eine Teilnahme am Festival der Demokratie gefährdet.

M. Kerklau: Die Zeiten werden härter, aber diese Zusammenarbeit schafft ja auch Solidarität.

C. Kupferschmid: Und es hilft, als Künstlerin sichtbar zu bleiben. Wir alle „verschwinden“ ja leider so ein bisschen. Das Netz ist eben kein Ersatz für Live-Publikum – da spiele ich ja ins Nichts. Das ist Mist!

C. Hagedorn: Außerdem sind wir Freien auf unser Publikum auch finanziell angewiesen, auf Leute, die uns live erleben wollen. Und dieses Live-Erlebnis ist nun bedroht. Wir können halt nicht mit Netflix und Co. konkurrieren. Apropos Konkurrenz: Ich finde es ungeheuer wichtig, dass wir beim Stadtensemble so solidarisch arbeiten und eben nicht mit ausgefahrenen Ellbogen. Für mich ist Kunst Kommunikation.

M. Kerklau: Und schon sind wir wieder beim Thema Demokratie! (Lacht)

Das „24 Stunden Münster“-Projekt vor zwei Jahren bespielte verschiedene Orte, jedoch nonstop. Das „Festival der Demokratie“ wird im kommenden Jahr das Konzept nun quasi umdrehen und sich aufs Pumpenhaus konzentrieren, bei zeitlicher Ausdehnung…

C. Kupferschmid: Das könnte man so beschreiben, allerdings sind es diesmal sogar noch mehr Teilprojekte als 24, inklusive eines Bildungsprogramms. Übrigens sind damals bei „24 Stunden Münster“ etliche Leute nur für ein Stück gekommen – und blieben dann acht Stunden!

M. Kerklau: Immer noch einen Happen mehr aus der Wundertüte (lacht).

Ich würde die drei übrigen Mitstreiter gern fragen, wie sie zu dem Projekt “Festival der Demokratie” gekommen sind. Adam, kannst du uns hören?

A. Riese: (per Handy von der Autobahn): Bestens! Also: Ich war bei „24 Stunden Münster“ seinerzeit ein begeisterter Zuschauer, war in allen Locations dabei. Daher haben mich Cornelia und Carola angesprochen: „Thema Demokratie: Fallt dir dazu was ein?“ Natürlich kam ich dann flugs zu meiner Kernkompetenz, dem Talk – und zu Menschen, die das Fehlen von Demokratie selbst durchlebt haben.

Auf wen bist du gestoßen?

A. Riese: Zum Beispiel auf Udo Lielischkies, den früheren ARD-Korrespondenten in Moskau. Der hat kürzlich ein sehr spannendes Buch über Putin veröffentlicht und kommt eigens zum Gespräch mit mir nach Münster. Es werden zwei Talks an zwei verschiedenen Wochenenden werden. — Oh, wir haben gerade einen Tönnies-Lkw überholt! Die rollen also wieder. (Lacht)

C. Hagedorn: Ich bin schon vor zwei Jahren ganz selbstverständlich dabei gewesen, weil wir Drei schon so lange Kolleginnen und befreundet sind. Also kam ich nun wieder mit fliegenden Fahnen dazu. Wie so oft bin ich hier musikalisch unterwegs. Es gibt so tolle politische Songs aus den 20er, 40er oder 80er Jahren, die das gesellschaftliche Feeling ihrer Zeit widerspiegeln! Da kann man dann die Zwischenkriegszeit mit der Gegenwart vergleichen oder beides dem Kalten Krieg gegenüberstellen.

Außerdem sind Sie in der DDR aufgewachsen…

… und kann daher Demokratie und Diktatur einander gegenüberstellen, die passenden Ost-Songs natürlich inklusive. „Der Schoß ist fruchtbar noch“ heißt das Programm mit Songs des 20. Jahrhunderts.

Ein reines Konzert?

C. Hagedorn: Ja – dennoch setze ich mich natürlich in den Zwischentexten damit auseinander, wie Alltagsfaschismus entsteht. Es sind ja nicht irgendwelche Monster, sondern normale Menschen, die sich da radikalisieren. Das interessiert mich, und ich habe eine entsprechende Dramaturgie entworfen. Es wird mit meiner Formation „CONJAK“ noch in diesem Jahr aufgeführt.”

Ist es zum Teil autobiographisch geworden?

C. Hagedorn: Nicht vordergründig, aber ich zeige, dass ich persönlich weiß, wie es sich in einer Diktatur lebt. Beim Mauerfall war ich Anfang Zwanzig, und ich weiß, wie man Kunst schafft „haarscharf an der Zensur vorbei“. Die gleichsam philosophische Frage, wie viel Anrecht wir auf unser Amüsement, unser leichtes Leben, mit Blick auf andere Länder überhaupt haben, wird sich implizit stellen.

Herr Kerklau, Sie sind quasi ein Netzwerker der ersten Stunde…

M. Kerklau: Kann man so sagen. Ich war bereits in der Theaterszene aktiv, bevor es das Pumpenhaus überhaupt gab und auch lange Jahre Sprecher der „Monokultur“, der hiesigen freien Szene. Schon in den Achtzigern bin ich mit meiner Theatergruppe auf die „Theaterinitiative Münster“ gestoßen, die die diversen Szenen unter einen Hut bringen wollte – die sich damals eher misstrauisch beäugten. Aus dem Zusammenschluss dieser Gruppen ist im Grunde erst das Pumpenhaus entstanden. Klar, dass mir das Konzept der Vernetzung nun auch hier und jetzt sehr anspricht. Früher waren das quasi verschiedene Welten! Man sah die freie Szene meist als unprofessionell an, was sich zum Glück geändert hat. Alles durchmischt sich mehr.

Und was hat Sie speziell am Demokratie-Thema gereizt?

M. Kerklau: Demokratie ist vielerorts in Gefahr – das muss man künstlerisch reflektieren. Mich hat immer die Person Rosa Luxemburg stark interessiert. Bereits früher habe ich gemeinsam mit der Schauspielerin Gabriele Brüning Texte auf die Bühne gebraucht, die eigentlich dem Theater fern sind, etwa Texte von Henry David Thoreau. Nun wollen wir so etwas mit Luxemburg-Texten versuchen. Sie hat viele berührende Briefe aus dem Gefängnis heraus verfasst und war einfach eine tolle Schreiberin.

Aber auch eine Demokratin? Sie forderte ja eine Diktatur des Proletariats.

M. Kerklau: In der Tat eine interessante Frage. Ich glaube, dass sie zu einseitig in diese Ecke gedrängt wird. Man kann an ihrer Person und ihren Schriften noch viel Interessantes neu entdecken. Es ging ihr um die Freiheit des Andersdenkenden. Rosa Luxemburg wollte auch Karl Marx weiterdenken, die gesamte politische Diskussion in die Mitte der Menschen holen, anstatt sie quasi von der Obrigkeit steuern zu lassen.

Ich bin übrigens in Ihrem Exposé, Frau von Seckendorff, über eine Passage gestolpert: „Können wir uns Demokratie im Angesicht von Problemen wie Klimawandel vielleicht in Zukunft nicht mehr leisten?“ — Da fiel mir gleich der Grünen-Vorsitzende Habeck ein, der von der „chinesischen Effizienz“ schwärmte. Frage in die Runde: Stimmen Sie ihm zu?

C. v. Seckendorff: Diese Frage steht nun öfters im Raum – aber es ist zunächst eben nur eine Frage. ‚Was macht das Klima oder dieses Sch…virus mit der Demokratie?’ Ist es zu autoritär oder doch eher klug, wenn die Regierung einen Shutdown anordnet? Ich habe keine Antwort, bin aber persönlich froh, dass diese Entscheidung so getroffen wurde. Man könnte vermutlich, wenn man wollte, auch das Stadttheater im Moment wider voll bekommen – aber wenn etwas passiert, steht eben die Theaterleitung in der (finanziellen) Verantwortung und nicht die Regierung.

A. Riese: Ich sehe das auch so und bin froh, dass die Regierung Entscheidungen getroffen hat, die uns besser dastehen lassen als etliche andere Länder. Und aus der Corona-Not heraus werden nun viele Werkstattprojekte geboren, die sonst nicht entstünden. Auch Maskenpflicht empfinde ich nicht als demokratiegefährdend. Um eine Pandemie abzuwenden, müssen temporär die Rechte des Einzelnen tangiert werden. Ich selbst habe auch die Corona-App auf dem Handy.

C. Hagedorn: Stimmt – auch in der Demokratie kann der Notstand ausgerufen werden, ohne dass sie gleich abgeschafft würde. Zwischen China und dem Schweizer Modell gibt es sicher viele Abstufungen. Demokratie heißt für mich, dass man Kompromisse finden muss. Die Tschernobyl-Katastrophe 1986 habe ich noch im Osten erlebt: Damals gab es durch ein Gewitter in Magdeburg einen radioaktiven Fallout, der Obst und Gemüse vergiftete. Im Westen wurden die Kinder vom Spielplatz geholt, und bei uns lag plötzlich Paprika im Regal. So „fürsorglich“ gab sich die Diktatur für ihre Bürger!”

C. Kupferschmid: Zugegeben: Manchmal wünsch’ ich mir auch beispielsweise eine Öko-Diktatur – aber was ich mir persönlich wünsche, finden eben Andere eventuell schlecht. Und genau deshalb haben wir ja Demokratie. Das heißt, dass man die Mehrheitsmeinung aushalten muss. (lacht)

Und Sie, Herr Kerklau?

M. Kerklau (lächelt): Also am liebsten wäre mir ein guter König. (Heitere Buh-Rufe ringsherum). Nein – noch besser wäre eine Königin. Wie bei den Bienen!

Quasi das „Modell von der Leyen“: Nicht kandidieren, nicht gewählt sein – und trotzdem am Ruder. Danke an alle für das Gespräch!