(Ge)Dicht … im Jahr 2022 an die Nacht

Viel Kultur musste coronabedingt ausfallen. Das Stadtensemble Münster ließ sich etwas einfallen. Dafür spielten wir bereits im Jahr 2020 mit den Worten. Auch mit solchen, die man heute gar nicht mehr hören mag “Abstand” zum Beispiel. Wie lautet das Gegenteil? “Dicht”! So entstand (Ge)Dicht auf Abstand. Wir erzeugten Nähe durch Poesie – natürlich unter freiem Himmel und im Schlosspark von Münster.

Im Sommer 2021 fand auch das Lyrikertreffen nicht statt. Wir waren wieder zur Stelle und schufen die “Insel des Pathos” – rot gefärbte Teppiche, die sich wie Inseln eines Archipels über die Innenstadt verteilten. Besucher*innen wandelten von Insel zu Insel. Hier erlebten Sie Spielsequenzen, Musikstücke und Performances zum Thema Pathos, vorgetragen von Kolleg*innen des Stadtensembles.

An diese poetischen Interventionen – Kunstaktionen im öffentlichen Raum – wollen wir anknüpfen. Am 14. und 15. Mai 2022 zwischen 20.30 Uhr und 22.30 Uhr laden wir ein zu (Ge)Dicht an die Nacht.

Wie sank die Sonne glüh und schwer,
Und aus versengter Welle dann
Wie wirbelte der Nebel Heer
Die sternenlose Nacht heran! –
Ich höre ferne Schritte gehn –
Die Uhr schlägt Zehn.

– Annette von Droste Hülshoff

Im Dunklen hört man besser

(Ge)Dicht an die Nacht wählt mit Absicht die sogenannte blaue Stunde für den Beginn dieser poetischen Veranstaltung. Wenn sich Dunkelheit über die Stadt senkt, werden unsere Sinne sensibel. Die Augen erkennen nicht mehr alles. Die Ohren helfen. Wir konzentrieren uns komplett auf das gesprochene Wort, auf das Gedicht.

Die Macht der Nacht

Grusel, Sehnsucht, Leidenschaft – so vieles verbinden wir mit der Nacht. So viele Gedichte beschreiben die nächtlichen Gefühle. Mitglieder des Stadtensembles rezitieren Lyrik im Schein von Kerzen und Taschenlampen an verschiedenen Stellen im Schlosspark. Besucherinnen und Besucher wandeln im eigenen Tempo von Vortrag zu Vortrag. Musik begleitet die Poesie in die Nacht, ins Ohr und direkt ins Herz.

(Ge)dicht an die Nacht im Überblick

Was? Lyrik erleben Schlosspark mit dem Stadtensemble Münster.
Wann? Am 14. und 15. Mai 2022 zwischen 20.30 Uhr und 22.30 Uhr – Auftakt zur blauen Stunde.
Bei schlechtem Wetter weichen wir aus auf Freitag, den 20. Mai 2022, zwischen 20.30 Uhr und 22.30 Uhr.

Fotos

Eingesendete Gedichte

SeeSucht
Im Schlaf
Wogt der Lavendel
Blau wie das Meer
TraumReise

Blattlose Bäume
Durchschimmert das Sternenlicht
Leicht und mühelos.

Groß bist du, denn deine Dunkelheit hat Weite.
Dort wo wir dich nicht bestrahlen,
öffnest du uns deine dunklen Tore.
Ob ich gehe oder auf Goethes Pferd durch dich reite,
deine Schatten dämmen alles ein.
Doch auch Gefahr bist du,
in der Schwäche unserer Augen gar,
übersieht man Löcher und auch Moore.
Ich trau mir dich zu,
du kannst mir ein Freund auch sein,
in dir bin ich allein,
und in dir wird ich wahr.
Groß bist du, im Schutze deiner Dunkelheit bin ich geborgen,
denn erst am nächsten morgen,
ereilen mich wieder des Lebens Sorgen.
Oh liebe Nacht, könntest du doch immer sein.

Ein Gedicht von Lukas König aus Dortmung, Jg. 1990, https://schriftstellerlukaskoenig.wordpress.com

Ich konnte die schwarzen Schwäne
Weiß sehen
Stolz,
Ein Tropfen Ozean
Auf der Fingerkuppe eines Kindes
Balancierend
War ich.
Wortlawinen
Zerollten jedes sich sträubende Haar mir.
Ich tauchte meine Hände in Lügen.
Auf meinen Fußsohlen gedeiht Horn seit jeher.
Im Rucksack die Einwegherzen.

Wenn es Nacht wird und im Park gegenüber die Laternen aufglimmen
Wenn die letzten harten Jungs ihren Platz der runtergelassenen Scheiben mit durchdrehenden Reifen verlassen
Wenn die Kneipe um die Ecke die letzten lallenden Gäste ausspuckt
Wenn die Fledermäuse lautlos ihre Bahnen über unseren Köpfen ziehen und du dich immer fürchtest, sie verhedderten sich in deinem Haar
Wenn im Uferdickicht die Ratten emsig werden und sich die Fische an der Wasseroberfläche was glucksen,
dann ist er da, der Moment der Momente.
Eine Zeit, voller Stille und Tiefe, eine Zeit, in der unsere Köpfe leuchten,
Gedanken, die durch ihre Farben das Dunkle zum Singen bringen.
Während manche Ideen unter dem Haselnuss noch reifen, explodieren andere über der schlafenden Welt.
Giftgetränktes Umsturzsinniertes kriecht den Bösen unter die Decke, während sich die Guten vom Läuten der Freiheitsglocken traumtrunken die Augen reiben.
Komm, Liebchen, gieß noch mal zu, heut ist die Nacht der Nächte, heut schaffen wir den Morgen danach.

wir ließen uns die dunkelheit nehmen
weil es produktiver sei
die nacht zum tag zu machen
das allgegenwärtige licht
blendete unsere träume aus
all die verrücktheiten
das unmögliche
widerspenstige
und verruchte
in der nacht war man frei von den regeln
des tages und der vernunft
holen wir uns die dunkelheit zurück

Im Gegenlicht flirrt Glück,
Falter taumeln ins All,
ich weiche scheu zurück
und alles ist der Fall.
Der Augenblick geht drüber
und drunter ein Gebet,
ein Nachtsaum legt sich nieder,
die Venus scheint zu spät.
Der Mond hängt seine Schleifen
in feuchte, warme luft,
ich will den Himmel greifen,
und lange in die Gruft.
Noch immer dieses Flirren,
Momente einer Nacht,
ich will das all entwirren,
nichts steht in meiner Macht.

Was wird

Murzungen leugnen
das Hinterland,
lichtblau zieren
Ertrinkende
den See.

Wir sind ein
Schlaf der Würgeengel
in unserer laublosen
Stirne Durft.

Unsere Lippen drehen
nach dem Mundschenk.

Aller Tage Abend ist vielleicht ein Anfang
angesichts des Blaus der Stille, Antonym des Morgens
um endlich, befreit vom Aktionismus, in einem tiefen Atemzuge lang
zu halten, inne. Ohne Sorgen.
Und Dunst der Ungewissheit steigt herunter, dnickt mäßig auf’s Gemüt
ein‘ Nebelschwade steigt empor, unklar, wo Nord, wo Süd,
Ieicht gräulich mit noch etwas Farbe, die, isoliefi, viel Klarheit verspricht,-
wird alles alsbald eingehüllt in dunkle Nacht.
Die Glücklicheq die gaben Acht,
ahnten schon das kleine Lichq
die Punkte, die man vergaß an diesem Tage zu setzen,
und tags zuvor
und davor auch
wissend: die winzigen Riesen werden klarer, ganze Bilder und Geschichten
und dieser Blick empor zu dieser Stunde, blau im Abendhauch
zeigt auch: es lohnte nicht, zu hetzen.

Hier unten wirkt das Schwarz fast leer,
am Himmel über mir das Sternenmeer.
Da – mir ist, als würde einer wispern!
Und was ist das für ein Knistern?
Jetzt hör‘ ich’s leise knacken –
was berührt mich da am Nacken?
Ein heis’rer Schrei von Westen her –
ich zieh‘ die Decken fester um mich her.
Einschlafend denke ich noch froh:
Abenteuer mit beschränktem Risiko
ist so’ne Nacht auf dem Balkon
im Haus, in dem ich wohn.

1.
Träume
kostbare Geschenke
Gesichter der Seele
aus den Tiefen steigen
Bilderwesen
2.
Träume
verwirrende Fantasien
scheinbar ohne Sinn
mein Verstand gibt sich
geschlagen

in manchen nächten
führt in mir
etwas
in eigener regie
und farbe
ein filmreifes leben
das
mit dem ersten wimpernschlag
morgens entschwindet
meinem kopf
bleibt der zugang
zum kino verwehrt

Vater alt Bruder krank
Träume flüstern ahnungsvoll
Zeit umarmt die beiden sanft
wehet ihre Kerzen aus
Nacht im Haus

Du, Mond, bringst mich um den Verstand und täuscht mir Tageshelle vor
zu einer Zeit, da alles schläft.
In mildes Licht tauchst du den See, Dorf, Schilf und Berge schimmern fahl,
als seien fremde Wesen sie.
Du glänzt so silbern und ich träum´ mit offnen Augen, seh´ den Tanz,
ein Elfenreigen auf dem See.
Der Wind zu mir herüberträgt beseelte Melodie, so rein.
Ich höre sie und mir wird bang.
Die lichten Wesen schweben her, und eine tritt zu mit hervor. Mein Atem stockt, als sie dann spricht.
„Komm mit uns in das Elfenreich.“ Ach, wie verlockend sanft sie´s sagt.
„Ein leichter Weg führt uns dort hin.“
Ein Ahnen zieht mich hin zu ihr; aus Tiefen drängt die Sehnsucht hoch.
Ich fühl den Sog und will schon geh´n.
Da hör ich einen anderen Ton. Die Stimme sagt in mir: „Halt ein.
Kennst Du nicht deinen Auftrag hier?
Du sollst noch bleiben in der Welt, nicht sehnend glüh´n und träumen nur.
Sei wach und lebe deinen Traum.
Und bis all deine Kräfte schwinden, nimm dir für Traum und Auftrag Raum.
Beides ist eins.“ So sprichts´s in mir.
Entschwunden sind die Elfen nun. Im Mondenlicht steh ich allein
am See mit meinen Fragen.

Dunkle, zarte Frau.
ich falle hinein in dich verletzt, nackt.
deine Wimpern sie kichern grüner Samt kleidet deine kalten Wände
der Mond flüstert mir den alten Pfad
ich falle ich
falle ich falle
ein Flügel streift mein Gesicht leckt an der Wunde.
Laute, die ich längst vergessen.
Traumfeucht ich
verlange nach einem Glas Milch Schweiß auf deiner alten Haut vernarbt dein Antlitz und dein Leib zartgliedrig umhüllt mit seidenem Gespinst
Ich kenne dich lebenslang ich kenne auch deine Rehgleiche Haut ich kenne deine Brutalität ich falle auf dich ich falle in dich das Gras wiegt sich im Nebel deiner Wünsche Alte Veddel mit deinen unzähligen Gesichtern ich liebe dich breite sie aus deine Flügel dass sie mich erlösen und mein Fall niemals endet

Instagram: viola.neumann.official

eigentlich bist du untröstlich , doch
du musst Helden ehren und Mut machen
eigentlich bist du untröstlich, doch
du musst drohen und anklagen
eigentlich bist du untröstlich , doch
du musst Ruhe ausstrahlen und Hoffnung verbreiten
eigentlich bist du untröstlich, doch
du musst stark sein und führen
eigentlich bist du untröstlich, doch
du darfst keine Fehler machen und nicht scheitern
eigentlich bist du untröstlich, doch
du siehst Tod, Verwüstung, Leid,
Trauer und Schmerz
du bist untröstlich…

насправді ти невтішний…
ніч над україною

насправді ти невтішний, Проте
ви повинні шанувати героїв і віддавати відвагу
насправді ти невтішний, Проте
треба погрожувати і звинувачувати
насправді ти невтішний, Проте
вам потрібно випромінювати спокій і поширювати надію
насправді ти невтішний, Проте
ти повинен бути сильним і лідером
насправді ти невтішний, Проте
ви не повинні робити помилок і не повинні зазнавати невдачі
насправді ти невтішний, Проте
ти бачиш смерть, спустошення, страждання, смуток і біль
ти розбитий серцем…

…kaum erwacht – schon grüßt die Nacht,
verspricht des Schläfers müden Gliedern Ruh‘..
„Ich nehme nur, was mir gehört.“
so sagt sie lieb und süß…
Denn nur der Körper bleibt auf Erden,
das „Nichts“, das nimmt sie mit sich
und lässt daraus was „Neues“ werden… ?

werden die hübschen Bogenflüge
der Fledermäuse
zum Spiel des Abends –
wir sitzen auf einer Bank
die man irgendwann in dieses Stück Stadt
gestellt hat: umgeben von
einem betagten Ring aus Gebäuden
wohnt hier die Natur
man hat vergessen
sie zu verscheuchen
nun schwimmt sie
in schwarzen Gewässern
umrandet sich selbst
und wuchert weit weg –
wie alte Weisheiten liegen
die Spiegelbilder der Bäume vor uns

Wenn am Abend kolossal
still der Tag sich neigt
und sich rot ein letztes Mal
von seiner besten Seite zeigt,
dann holt die Nacht
bald mit der Zeit
und mit Bedacht
ihr schwarzes Kleid
und durchschreitet so gemach
große Städte, tiefe Wälder,
und sie legt sich nach und nach
auf Dörfer, Flure, Felder.
Umhüllt alles weit und breit
unbestechlich, angemessen
mit Finsternis und Dunkelheit
beharrlich, stetig, weltvergessen.
Entlastet somit alle Tage
von ihrer Arbeit, ihrer Mühe,
von ihrer Last und ihrer Plage
bis hin zur morgendlichen Frühe.
Erstickt das Leuchten und das Flirren,
lässt Hitze bald gesunden,
beruhigt rastloses Beirren,
streckt die dunklen Stunden.
Sie zeigt selbstbewusst
ihr Sein und ihre Pracht
mit schwarz geschwellter Brust.
Gute Nacht!

Verloren
in der Glitzerwelt der Nacht
flüchtige Gesichter
Biergläser in den Händen
geschönte Welt im Lächeln der Vorbeiziehenden
Vergessen im Farbenrausch
der bunt beleuchteten Reklameschilder
Menschen flanieren in Massen auf Gehsteigen und Straßen –
autofrei natürlich.
Dunkle Nacht
Sterne am Himmel
die nicht den Weg beleuchten
den du gehst
Der Mond hinter Wolken
düster und unnahbar
die Landschaft die Häuser –
kein Auto unterwegs.
Ein Notfall –
bereits der vierte in dieser Nacht
Betrunkene und Verletzte –
eine Krankenstation von vielen
unterbesetzt ununterbrochen
Untersuchungen –
der Pfleger
dein Freund und Helfer
das wären schöne Dankesworte
Die Sterne verblassen –
die Nacht ist vorbei.
Das Autoradio spielt:
Morning has broken.

Eleven der elysischen Felder,
Töchter und Söhne des Dunkellichts,
Schattenspielende Nachtgefährten,
Seelenstreuner zwischen den Dämmerungen!
Sternenglanz malt Eure Namen
an einen hohen Himmel,
da die Wolken ehrfurchtsvoll
an einem fernen Horizont
sich niederbeugen.
Eure Gestalten baden
im Meer der Silberphotonen,
Euer Gesang schwebt
mit der Leichtigkeit im Aufbruch,
Eure Herzen schwingen
im Zustand des Neubeginns,
Eure Worte tragen
golddurchwirkte Nachtstimmen
über Wiesen und Felder.
Nicht Leichentuch,
nur Hauchgespinnst
ist Eure Trauer.
Da die rußgeschwärzten Karten der Stahlhöllen
verborgen in den Taschen ruhen,
bleibt der Finstersonne Malstrømsog
nur eine Schauernachtgeschichte.
Ein entflammter Abendhimmel
wärmt noch die Erinnerungen,
doch kühne Blicke suchen schon
erwartungsvoll das neue Licht im Osten.
Bald schon wird der Morgenwind
mit kühlen Atem durch
die leeren Zelte wehen,
wenn der neue Tag Euch ruft
mit Elfentanzschritten
die alte Erde zu erobern,
auf Fledermausträumen
ein Universum zu durchmessen,
mit Koboldmutwillen
die Welt neu auf den Kopf zu stellen.
Nur meine Wünschen können Euch
von nun an noch begleiten:
Die Furten seien nie zu tief,
die Wege nie zu steil,
die Brücken seien nie zu schmal,
die Schuh stets weich und heil,
und denkt mit süßer Wehmut stets
an Eure Vollmondkinderzeiten.

https://zeitraumschleife.eu/?p=113

Blaue frühe Venusstunde
Litenareise zieht der Horizont Licht in seinen weiten Schlund,
Auf dass das Schwarz der Himmelsdämmerung kann weichen,
Und nach kurzer Ewigkeit der Ruh‘, der S\il§, der Weite, im Nu‘
Einzug hält bald das gesamte Spektrunn, bunt:
Sonnenvenruöhnt die Regenbogen des Tages tanzen lnklusive aller Blaus,
Tauen auf, vermischen sich und malen mit des Tages Runde
Und bald nach all dem Konzertieren klingt ein zartes Rosa hinzu,
Nach und nach übertönt von lautem Rot-Orange, bis leiser Lila
Das Decrescendo übernimmt, übergibt es ans Pausen-Blau, ein weites Mal
Ewig kurz schweigt der Farben Kreis, bis zum nächsten Reigen setzt das Blau den letzten
Ton, halb.

auf der Haut
die brailleschrift der narben
mit den fingerkuppen entziffern wir
die geschichte unserer wunden
rosenstöcke wachsen ins zimmer
knospen klirren im frost
aber für den rest der nachts
deckt dein atem mich zu

Der Text ist meinem Lyrikband „dies sture beharren auf anwesenheit“ entnommen, erschienen 2021 in der Edition Offenes Feld.

Ich sah das letzte Grün
am pechschwarzen Abend.
Es leuchtete mir auf dem Weg
noch eine Laterne.
Ich bin hinausgegangen aus dem Lichtkegel-Schirm
und die Nacht
erwartete ich
fernab rundum
und sie war da.
Mich umschließend.
Bei mir.
In ihrer ganzen Freundlichkeit.
Sie hat mich beschützt.
Es drohten mir
Ängste,
Einsamkeit
und Enttäuschung, Schmerz.
Doch
ich habe die Nacht gefühlt
mit ihrer Stille
und ihrer Größe
mit ihrem lichten Himmel.
Sie
haben mich gehalten.

Die Fenster spiegeln dunkelndes Gefälle,
zwei Wesen tauschen stummen Gruß.
Die Zeit tritt für Sekunden auf der Stelle,
dann übersteigt sie grau die Schwelle
auf langem, schmalem Schattenfuß.

Du hörst, wie Melodien tönen,
das ist Gesang, die Nacht ist eine Geige!
Die Saiten klingen, um sich zu gewöhnen
und um die Menschen zu versöhnen,
der schöne Tag ging grad zur Neige.

Aus tiefem Wassergrunde
leuchten von alters her
zu mitternächtlicher Stunde
viel tausend Lichter im Meer.

Sie steigen herauf und glänzen
im zitternden Spiegel der Flut
mit anmutig wiegenden Tänzen
und strahlender, kalter Glut.

Sie geben den Schiffen ein blinkendes Kleid
und färben die Brandung bunt ein,
ein Wrack, gesunken vor langer Zeit,
schimmert in grünlichem Schein.

Als wären sie Sterne, vom Himmel gefallen,
gleich flüchtigen Gedanken,
wie lichte Grüße von allen,
die einstmals hier versanken.

So weben sie Netze und blauende Schleier,
die Boten der Tiefe, der Nacht,
dann plötzlich verlöschen die funkelnden Feuer,
ihr leuchtendes Werk ist vollbracht.

Im Park da wachsen stille Lichter,
Laternen, graue Steingesichter,
da wachsen Bänke, alt, verblichen,
und Bäume, dunkelgrün gestrichen.

Im Park verliert die Zeit ihr Lärmen,
es brüten Uhus und es schwärmen
gedankengleich durch Luftatolle
verstummte Feen und stille Trolle.

Im Park versitzt die Zeit ihr Drängen,
wo draußen sich die Menschen zwängen
hockt hier nur eines weit und breit:
ein steinern Denkmal, das hat Zeit!

Sie sitzt auf einem hohen Stein,
nicht weit von mir im Pinienhain.
Nun hat sie mich gefunden,
ich war gereist seit Stunden.

Gestern noch spät in Bastia
hat sie gerufen, ist jetzt da
wo heut ich bin in stiller Ruh,
im Städtchen Bonifaciou.

Sie folgt mir rastlos, schattengleich,
des Nachts besingt sie mich so reich,
wenn ich sie doch nur einmal sähe,
ganz eng vertraulich aus der Nähe.

Wie farbig ist wohl ihr Gefieder,
hat sie den auch noch andre Lieder
als abendlich ihr „Tut-tut-tut“,
das Ton um Ton fest in mir ruht?

Sie ruft im Pendelschlag der Zeit
als mäße sie, wie nah, wie weit
das unbekannte Ufer winkt,
an das ein steter Wind mich bringt.

Der Wind hat sich zur Ruh begeben,
ein letztes Schiff kehrt müde heim,
schau her mein Kind, mein süßes Leben,
sieh doch, die Wellen schlafen ein.

Erfinde einen Traum und träume
den viel zu kurzen Tag zu Ende,
träume dich in Märchenräume,
ich halte deine Hände.

Ruh aus auf einem hellen Stern,
lass dich von ihm behutsam tragen,
schlaf ein, mein Kind, du wirst mir gern
den Traum am Morgen sagen.

Über den Himmel sah ich die Sonne Abschied nehmen von des Tages buntem Treiben-
Und ich sah den Mond aufgehen in stiller Ruh‘-
Da hatte auch ich nichts mehr zu reiben-
Dann machte auch ich meine Augen zu-
Denn unterm himmlischen Sternenzelt begann der Tag die Nacht zu weichen-
Und die Sonne das Lichte weiterreichen-
An den Mond und die vielen Sterne, die kann man kaum zählen-
Sah auch ich mich meinen Weg wählen-
Denn die Vergangenheit zeigte sich mir unterm hellen Sternenlicht-
Aber die Zukunft-Die ich nun selber richt-
Habe so weit geschaut zurück-
Werde jetzt denken an mein eigenes Glück-
Doch erst werde ich im Mantel der Nacht-
Nun selber geben auf mich acht-
Deshalb werde auch ich mich jetzt schlafen legen-
Damit auch ich kann wandeln auf neuen Wegen.
Gute Nacht!

Und da hat sich die Sonne gedacht:
„Wenn ich geh,dann sag ich Euch Gute Nacht-
Laß Euch meine kleine Laterne hier-
Gefüllt von dem Licht von mir-
Sollst Du sie sehen mal groß, mal klein-
Und in klarer Nacht im hellen Sternenschein-
Und wenn ich Dir das Licht hab ganz ausgemacht-
Dann Menschlein gebe auf Dich acht-
Daß Du in dunkelster Nacht findest immer Deine Wege-
Diesen Wunsch ich für Dich hege!

Kalt ist die Nacht.
Viel zu kalt für einen Sommerabend.
Verlassen sind die Straßen.
Viel zu verlassen für eine Stadt.
Einsam sitzt sie auf der Bank.
Viel zu einsam um zu schlafen.
Traurig ist ihr Blick.
Viel zu traurig für so schöne Augen.
Schnell macht sie ihrem Leben ein Ende.
Viel zu schnell für so ein junges Leben.
Kalt ist die Nacht.
Viel zu kalt.

Wenn am Tagesrand
Das Licht der Erinnerung
Schatten wirft
Wollen die Farben des Gefundenen
Schon ihre Leuchtkraft verlieren
Nimmt selbst die blaue Stunde
des Augenblicks
Den eben noch strahlenden
Seelenbund mit sich fort
Trägt ihn hinauf in eine Sphäre
Zwischen War und Noch nicht jetzt
Wo sind wir? Was bleibt ?
Zwischen Meer und Horizont
Zwischen Dir und mir –
Kreischende Möwen im Abendwind ….
Vielleicht, ja vielleicht
Lässt die Nacht Uns neu entdecken,
Was im Schatten der Sonne
Verloren schien
Vielleicht, ja vielleicht
Finden wir Sterne,die im Dunkel erstrahl’n
Und ein neues Leuchten
Und das Gefundene kehrt in uns
Zurück

Hineingleiten
In das Licht
Das weniger wird
Wie die Schiffe
Neben uns
Auf dem Fluss
Dahinziehen
Mit dem Zug
Vorbei an Häusern und Gärten
An Berghängen und Weinreben
An Zerfallenem auch
An dem was früher mal war
Das Geschichten erzählen kann
Doch schon vorbei
Und die Gedanken ziehen mit
Ins Überall und Nirgends
Verlieren sich in den Wolken
Und das Herz findet Ruhe

Worte voller Sterne
In den nächtlichen Himmel
Geschrieben
Glitzernde Poesie
In der Welten All
Sinfonie der Träume
Himmelskörper voller Musik
Sehnsuchtsgetränkte
Klingende Töne
Finden mich hier
In meiner Stille
Und ich schau hinauf
Sehe unsere Namen gemalt
In der Tiefe der Nacht
Sind mehr
Als nur Sternschnuppen
Die verglühen
Sind
Wie ein Feuerwerk
Und mein Herz tanzt
Tanzt noch immer
Wenn der Morgen erwacht

Zu vorgerückter Stunde trittst du
noch einmal ans Fenster. Im Lichtschein
einer Straßenlaterne schlendern
die letzten Nachtschwärmer vorüber.
Ein Auto auf der Suche nach einer
Parklücke. An der Kreuzung blinken
traurige Ampeln. Gewöhnliche Bilder,
denkst du, obwohl sich fast alles
verändert hat.

Du reibst dir die müden Augen. Schon lange
nicht mehr hast du so viel ferngesehen.
Die letzten Nachrichten nimmst du noch mit.
Wie Feuerwerkskörper schwirren Lichtfontänen
durch die Nacht, explodieren beim Aufprall
und sprengen ein Gebäude in die Luft.
Man müsste die Welt anhalten, kommt es dir
in den Sinn, bevor die Bomben platzen.

Eine Kamerafahrt durch die Wohnsiedlung,
vorbei an überstürzt verlassenen Häusern,
deren Außenwände zerstört worden sind.
Die Zimmer in den Etagen erinnern
an Puppenstuben. Auf den Küchentischen
liegengelassene Dinge des täglichen Lebens:
Pfannen und Töpfe, Teller mit Essensresten,
halbvolle Gläser, ein Babyschnuller und
die vergessene Lesebrille auf dem Buch.

Im Nirgendwo zwischen Schutt und Asche
sitzt ein weinender Junge. Stockend erzählt er
von einem Mann, der reglos am Boden lag.
Lebte er noch? Oder war er bereits
auf dem Weg in den Himmel?

Du ertappst dich bei dem Gedanken, Gewalt
mit Gewalt zu vergelten. Wann hattest du
jemals solche Angriffsfantasien?
Für einen Moment schwörst du Rache
für die vielen Opfer. Doch nicht einmal
die Handlanger der Tyrannei
wären damit zu beeindrucken.

In seinem Palast thront der Despot.
Wenn er Besuch empfängt, hockt er,
einem Zwerg ähnlich und unnahbar,
an dem viel zu langen Verhandlungstisch.
Sogar seine engsten Gefolgsleute
hält er auf Abstand.

Sein eingefrorenes Gesicht
und die Szenen der Verwüstung
lassen dich nicht mehr los. Im Schlaf
hörst du die Uhren ticken.
Du fürchtest, geweckt zu werden
vom ultimativen Donnerschlag
aus dem Zentrum der Hölle.

Du hast düstere Träume. Pass auf,
was du sagst, flüstert dir der irre Gnom
ins Ohr. Spricht da etwa jemand von Krieg?
Nein, kein Krieg – Spezialoperation!

Danke der Nachfrage. Willst du die Antwort hören?
Ich starre neben dich.
Danke. Und selbst?
Worte, die es nicht gibt
Weißt du, es kommt sobald ich die Augen schließe und die Dunkelheit mein Schweigen in Stille ertränkt.
Am Tag. In der Nacht.

Es ist doch so kalt da draußen.
Er ist dort. Tief unten. Und doch über der Erde.
Es ist gar nicht die Dunkelheit, die es unerträglich macht. So traurig. Die Dunkelheit ist eine Decke. Ein Mantel und ein Freund.
Es ist die Kälte. Allein der Gedanke lässt mich frösteln.
Die Einsamkeit
Niemand, der ihm eine Strickjacke um die dürr gewordenen Schulten legt.
Niemand, der seine Hand wärmend in die seine schiebt.
Und in den Falten seines Halses? Würmer? Es wird schwarz.

Die Dunkelheit legt ihr Schweigen um mich und ertränkt die Stille.
Am Tag. In der Nacht.
Danke der Nachfrage.

– Für Sakine –

Wasser gab ich ihnen
Den Orangen-, Nektarinen-,
Feigen- und Granatapfelbäumen
Blickte dabei nicht auf die rinnende Zeit
Die hereinbrechende Dunkelheit
Um sie nicht ungleich zu behandeln
Gab ich beiden, den Lilien und Geranien, Wasser

Der Mond packte seinen Koffer und ging fort
Stieg über die Gipfel der Berge
Dann ging er zu den Sternen
Ich blieb einsam zurück
Weder schlafend im Bett
Noch wach auf dem Balkon
Ist die Einsamkeit zu ertragen

Dann stand ich auf
Blickte zum Mond und zu den Sternen
Welche über dem Gipfel der Taurusgebirge ruhten
Nicht einmal einen rötlichen Lichtstreif hinterließ sie
Ich machte die Lampe an
Blickte auf ihr Foto an der Wand
Die Schönste, um mich nicht allein zu lassen
Hing es an der Wand.

Sie kommt über euch in finstrer Nacht
Sie schwingt mit einem Flügelschlag aus der Wiege ihres Hügelgrabs
Sie übermannt den Führerstab noch bevor es Frühstück gab

Sie kommt über sie in düstrer Nacht
Kommt früher noch als sie ahnen
Als sie fett und müde lagen
Mit den Schnepfen und den Atzen
bei Sekt, Selters und so Sachen

Mit dem Pepp in ihren Nasen
und der Hetze in der Sprache
und ihre Fresse verlässt schwafelnd
Pressetexte und Reklame

Eine Ware, die sie haben
Rein gar nichts Wahres was sie sagen

Sie kam über euch in tiefster Nacht

Ein Lichtjahr bis es vorüber war
Oh, deine Brüder deine Damen
das war früher einmal

Sie kam, sie sah, sie siegte
Verwechsle dies nicht mit einer Krise
Die Nacht erlebt den Tag, in ihrer Flammenlawine

Nachtschnecken
auf Nacktschnecken ausgleiten
Spinnenwanderhügel spielen
Barbarossa sein
im Garten
für eine Nacht
als Tautropfenfänger
warten
auf den Morgen
Nebellieder summen
in die Schwärze lauschen

Mich erfasste um Mitternacht Unruhe.
Vollmond natürlich.
Ich stand auf, ging in die Küche
und traute meinen Augen nicht…
Gedicht:
Nachts in meiner Teetasse.
die Drachen schwimmen
jeder will gewinnen.
Nachts in meiner Teetasse.
Der Tee ist abgestanden
die Phantasie schlägt Purzelbäume
macht sich breit und füllt die Räume…
Der Tee ist abgestanden
Phantasie und Traum
lass sie kommen
gib ihnen Raum.
Bist du gar zu beklommen
mach die Sorgen zu Schaum
dann hast du gewonnen.

Die reife Nacht
schlägt Blütenblätter
aus dem Fenster
Worte kräuseln sich
in der Gardine
Der Mond steht blass
wie das Ohr
das deine Träume belauscht
Ratten hinter den Wänden
leise fiepend zu deinem Atem
der im Takt der Nacht
von Aufbrüchen träumt

Im dunklen Garten ranken die Lebenden
Wie Lampions
die kleinen Hoffnungen
vor denen wachsam
Motten flattern
Verzweigte halten eine Hand
vor den sehenden Splitter
oder ein Auge
Unter einem der Tische
stößt Wurzelwerk
an die Beine
doch der Tisch bleibt starr
Nur ein kurzes Flackern
fällt durch die Bretter
immer dann
wenn eine Motte verglüht

Vorbei am Zwinger
Im Zwinger stapeln sich
die Menschen der letzten Nacht
Die Sonne hängt schief
denke ich
Einen Herzschlag vorbei
an der kalten Spitze
des Fingers
der sich durch die Streben schlängelt
und der nicht zu retten war
in sternenklarer Nacht

Lesende Anna Stern, Annette Roth, Beate Reker, Carola von Seckendorff, Carolin Wirth, Christiane Hagedorn, Cornelia Kupferschmid, Eva Schröer, Gabi Sutter, Gabriele Brüning, Hannes Demming, Magnus Heithoff, Manfred Kerklau, Paula Marie Berdrow, Regine Andratschke, Rose Lohmann, Sarah Giese, Sophia Demming, Stefan Nászay, Tashina Mende, Thomas Nufer, Thomas Schweins, Tilman Rademacher, Toto Hölters
Musik Anja Kreysing, Gregor Bohnensack, Gudula Rosa, Michael Kolberg, Sabrina Toyen, Tobias Hoeft, Tomi Basso
Künstlerische Leitung Carola von Seckendorff, Cornelia Kupferschmid
Produktionsleitung Paula Marie Berdrow
Ausstattung Sophia Debus
Design medlay
Texte Susanne Schaller
Social Media Constanze Wolff, Caroline von Lengerke, Moritz Piepel

Gefördert von Kulturamt der Stadt Münster, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, NRW Kultursekretariat Wuppertal
Zusammen mit Theater Münster, Kulturamt der Stadt Münster